Katja Volkmer für Lotos
Zehn einfache Schritte, die dein Leben verwandeln
Buddhistische Impulse, um aus jedem Moment das Beste zu machen
Es gibt Neues von der »Nonne 2.0«, der Social-Media-affinen Französin, die Followern wie Buchlesern Zen-buddhistische Weisheiten nahe bringt – und das auf unvergleichlich humorvolle Weise. Auch das aktuelle Buch von Kankyo Tannier sprüht vor Lebensfreude: In Unterwegs ins Hier & Jetzt (Lotos Verlag) nimmt sie ihre LeserInnen an die Hand und führt sie sanft, aber bestimmt in die Gegenwart zurück – dorthin, wo die Musik wirklich spielt.
Nicht etwa in Vergangenheit oder Zukunft, um die unsere Gedanken nur allzu oft kreisen, in negativer, abwertender oder sorgenvoller Weise. Und schon gar nicht dauernd im World Wide Web! Wäre es nicht schön, sich mental und emotional immer häufiger an friedlichen und entspannten Orten aufzuhalten? Genau dorthin schubst uns Kankyo Tannier einfühlsam. Sie hat einen 30-Tage-Kurs für mehr Achtsamkeit entwickelt, der darauf abzielt, die Tropfen der Spiritualität aus dem Alltag herauszudestillieren – ganz undogmatisch und unkompliziert. Deutlich mehr Freude und Gelassenheit: Das klingt gut? Dann nichts wie einschreiben!
Berührend, offen, charmant: Die Lehre der Achtsamkeit auf den Punkt gebracht
Das hektische Leben, das die Meisten von uns führen, ist zu allem Überfluss noch vom Getöse unserer Gedanken begleitet – und das meist in Dauerschleife. »Monkey Mind« heißt dieses unaufhaltsame Karussell und meint ein Zuviel an wild hin und her schießenden Gedanken, die heilloses Durcheinander in unserem Alltag stiften. Schwupps, breitet sich schon morgens ein emotionales Unwohlsein aus, das wir nicht einmal konkret benennen können. Ist es nicht jammerschade, dass wir in Wort, Tat und Gedanken so weit von dem abschweifen, was wir uns eigentlich für unser Leben wünschen? Einer Zen-Nonne, die sich gelegentlich zu viel aufhalst, geht es da nicht anders. Auch sie kriegt die Krise, wenn sie mit ihren zahlreichen Aktivitäten ins Schwimmen gerät – und im Alltag zu wenige Inseln der Spiritualität findet. Zum Glück ist Kankyo Tannier eine Frau, die es gründlich gelernt hat, sich aufs Wesentliche zu fokussieren. In Unterwegs ins Hier & Jetzt setzt sie sich dafür ein, dass wir das Wunderbare, das in jedem Augenblick vorhanden ist, sehen, erkennen, lieben und leben. Dazu müssen wir weder an einen Gott noch an einen Guru glauben. Was allerdings auch nicht hinderlich wäre.
Inspirationen für ein gelassenes, glückliches Leben – auch für Nicht-Buddhisten
Die »Werbeagentin für den Zen-Buddhismus« spricht aus eigener Erfahrung. Die mit allen buddhistischen Wassern gewaschene Kankyo Tannier kommt aus Straßburg und führt, neben ihren spirituellen Aufgaben, ein weltliches Dasein. Auch Menschen, die mit Buddhismus bisher nicht viel am Hut hatten – aber merken, dass ihr Leben irgendwie in die falsche Richtung geht –, sind bei ihr in guten Händen. Sie macht’s nicht komplizierter als es ist, und ist zugleich das Gegenteil von banal. Das kommt bei kurzzeitig Gestressten ebenso gut an wie bei langfristig Sinnsuchenden, bei Resignierten ebenso wie bei Entzauberten. Nie versteckt Kankyo sich hinter heiligen Schriften oder abstrakten Regeln. Stattdessen findet sie neue Worte und treffende Vergleiche, die unserer modernen Lebenswelt entsprechen. Und die nicht selten mitten im Herzen landen. In ihrem neuen Buch geht es ihr um nicht mehr und nicht weniger als die »Wiederverzauberung des Alltags«. Ihr Achtsamkeitskurs besticht durch einfache Methoden, die einen rasch zu sich selbst zurückbringen – egal, wie turbulent es gerade zugehen mag. In 30 kurzen Kapiteln regt die feinfühlige Zen-Nonne zum Nachdenken und Nachmachen an – und leitet wunderbar wirksame Übungen an. Ihre erfrischend offene Art und ihr Tiefgang sind äußerst inspirierend. Ihr Füllhorn mit guten Techniken hilft einem dabei, wesentliche Pläne und Ziele zu verwirklichen.
Einfacher 30-Tage-Kurs, der Perlen des Friedens in den Alltag bringt
Kankyo Tannier schreibt von der Kunst, den Blick zu verändern, den Geist zu kanalisieren und sich mit der Natur zu verbinden. Sie singt Loblieder auf die Macht der Konzentration, der Zerbrechlichkeit oder des bewussten Atmens. Sie hat positive Rituale für den ersten Gedanken des Morgens parat und gibt poetische Tipps, zum Beispiel, wie man sich von einem Salatblatt unterweisen lässt. Zudem möchte sie, dass wir uns stärker von dem kleinen Diktator namens »Smartphone« emanzipieren, der uns – wie Laptop oder Tablet – zu stumpfen, Roboter-ähnlichen Wesen macht. Es ist mitreißend, wie Kankyo Tannier darum kämpft, das Heilige in den Alltag (zurück) zu bringen. Ihr Buch ist eine Schatzsuche nach dem Zauber des Moments. Achtung: Sie führt nach Innen, zu unserem Wesenskern. Beim Lesen wird klar: Wachsamkeit kann man gar nicht hoch genug dosieren. Sie ist einfach anzuwenden; Wirkungen und Nebenwirkungen sind durchweg positiv. Halten wir also im unbewussten Wahnsinn öfter mal inne! Damit wir die spirituellen Funken aufblitzen sehen, die nur darauf warten, zu einem inneren Feuer entfacht zu werden. Sehen wir genau hin.
Werden wir »zennig«.
Drei Fragen an Kankyo Tannier
Was ist der Unterschied zwischen einem achtsamen und einem nicht-achtsamen Menschen, und wie wird dieser im täglichen Leben deutlich?
Kankyo Tannier: »Wachsam zu leben bedeutet, sich der vergangenen Momente bewusst zu bleiben. Es ist möglich, in Echtzeit den Lauf der Gedanken zu kennen, ein fast permanentes Körperbewusstsein zu haben – mit sich selbst, mit der Atmung, mit den Bewegungen des Geistes wieder verbunden zu sein. Durch das Leben in der Gegenwart werden wir zu einem eigenständigen Menschen und nicht zum hypnotisierten ‚Roboter’, der von Smartphones oder täglichen Geschäften ‚geschluckt’ wird. Bei Roboter-ähnlichen Menschen sind die Augen fixiert, ein wenig leer. Die anderen sind anwesend, bewusst und haben lebendige Augen.«
In Ihrem neuen Buch laden Sie dazu ein, »den spirituellen Funken zu finden und voll zu entfachen«, der in jedem von uns schlummert. Müssen wir einfach richtig hingucken, um glücklicher und friedvoller zu werden?
K.T.: »Ja, es ist wichtig, zu lernen, sich selbst zu sehen beziehungsweise (wieder) zu erkennen. In Europa haben wir ziemlich ideale Lebensbedingungen, und doch gibt es viele Depressionen. Es ist möglich, im Alltag Rituale der Wiederverbundenheit mit sich selbst zu installieren, um nach und nach Zugang zur Schönheit der Welt zu bekommen. Ein mögliches Ritual könnte die ‚Begegnung mit dem Körper’ sein, also: sofort zu beobachten, welche Emotionen wir durchleben. Herzklopfen, wenn man verliebt ist, enge Kehle, wenn man Angst hat. Wenn wir lernen, unsere Emotionen zu erkennen, kehren wir öfter zum Körper zurück und verbinden uns mit dem gegenwärtigen Moment. Die Rückkehr zu sich selbst ist der erste Schritt für ein spirituelles Leben! Ein weiteres Ritual, das mir sehr gefällt, ist das Betreten einer Kirche. Mitten in den Städten, außerhalb religiöser Überlegungen, gibt es himmlisch ruhige Orte. Nutzen Sie also die Gelegenheit, sich ein-, zweimal pro Woche ‚einzuleben’ und zehn Minuten lang nichts zu tun – überhaupt nichts. Nichts ist mystisch! Für die Glücklichen, die auf dem Land leben, ist die Natur die Kirche, unsere Mutter Erde.«
Sie wehren sich gegen das Image, eine erleuchtete Nonne zu sein, die ein durch und durch spirituelles Leben führt. Sie möchten als Frau mit »normalen« Problemen verstanden werden. Wie gehen Sie selbst damit um, wenn Sie an die Grenzen Ihrer buddhistischen Ideale stoßen.
K.T.: »Das sind Fragen, die ich mir jeden Tag stelle. Und diese Befragung an sich ist ein spiritueller Weg. Im Zen-Buddhismus haben wir eine tiefgründige Lehre: ‚Der Geist des Alltagslebens ist der Weg.’ Wo auch immer ich bin – wie gerade jetzt am Flughafen von Abu Dhabi – frage ich mich, wie man diesen Moment zu einem spirituellen Moment macht. Gerade habe ich die Übung der ‚Rückkehr zum Körper und zu den Emotionen’ praktiziert. Es ist natürlich nicht immer einfach und erfordert Entschlossenheit und Training. Aber ich hatte schon immer einen rebellischen Geist, und das hilft mir auf meinem spirituellen Weg. Ich möchte nicht wie ein Gefangener der technologischen Welt leben, die mich umgibt und sich mir ständig zum Konsum anbietet. Ich will nicht – überhaupt nicht! – den Verfügbarkeiten unserer zunehmend künstlichen Gesellschaft gehorchen. Also habe ich mich dem Widerstand angeschlossen, und ich bin sehr motiviert.
Und was ist mit euch, liebe Leser? Was motiviert euch, in der Gegenwart zu leben?«
Herzlichen Dank für das Gespräch, Kankyo Tannier.
Die Fragen stellte Katja Volkmer, freie Journalistin, München.
Die buddhistische Zen-Nonne Kankyo Tannier lebte über 15 Jahre in einem Kloster im Elsass. Sie nennt sich selbst scherzhaft »Nonne 2.0«, da sie bloggt und Videos über Spiritualität, Meditation und Zen-Buddhismus produziert. Kankyo unterrichtet Zen-Meditation (Zazen) und tritt als Rednerin auf. Sie ist einem breiten Publikum aus Retreats, Seminaren oder TEDx-Talks bekannt und arbeitet zudem als Hypnose-Therapeutin. Von ihr ist bereits der Ratgeber Stille. Meine buddhistische Kur für ein leichteres Leben erschienen. Kankyo Tannier spricht deutsch.